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Träume sind zum Träumen da – doch manchmal muss man sie anpassen, um glücklich zu sein

Mein Beitrag zur Blogparade: „Was will ich wirklich im Leben? – Mein schönes Leben“

von Sandra Liane Braun – Raus aus dem Stress, rein ins Leben. Coach und Gedankensortiererin, wenn Du sagst „Ich kann nicht mehr!“

Als Kind wollte ich ins Weltall fliegen

... die Erde von ganz weit oben sehen, winken und dann weiter zum Mond, zum Mars, in die unendlichen Weiten des Universums.

 

Auch heute noch kann ich stundenlang vor dem Bildschirm sitzen und mit pochendem Herzen und schneller Atmung darauf warten, dass endlich wieder eine Rakete abhebt, die Menschen ins All transportiert. Dank Livestream übers Internet ist das heute ganz leicht. Als Kind drückte ich meine Nase am Fernseher platt und hoffte, mich irgendwie ins Spaceshuttle beamen zu können. Ich war mir sicher: Wenn ich groß bin, wird es stadtgroße Raumschiffe geben und ich werde dort arbeiten und leben.

 

Leider hatte ich bis auf Geografie, Astronomie und Geologie nicht viel übrig für Naturwissenschaften. Und irgendwann überholte mich mein reales Leben und meine Berufswahl musste getroffen werden.

 

Astronautin, oder damals noch Kosmonautin, zu werden, lag ganz weit in der Ferne, noch weiter weg als der Mond, Mars oder jeder andere Planet unseres Sonnensystems, ja sogar weiter weg als jede Sonne des Universums.

 

Ich war ein Kind der DDR. Damals unterbreitete der Klassenlehrer während einer Versammlung Vorschläge für die Berufswahl. Meine Lehrerin empfahl am Ende der 9. Klasse im März 1989: Werde Grundschullehrerin!

 

Grundschullehrerin. Ich?! Hm, ich half zwar gern in unserer Patenklasse beim Lernen, konnte auch meinen Mitschülern gut den Schulstoff erklären. Ich war sogar geduldig. Und meine guten Schulnoten hatte ich mir mal eben so nebenbei, ohne viel lernen zu müssen, erarbeitet. Aber Lehrerin? Das wollte ich nicht werden. Ich wusste nämlich schon damals, dass ich eher Freundin als Autoritätsperson für die Kinder sein würde.

 

Viel lieber wollte ich nutzen, was ich schon als Kind gern machte und, laut meiner Deutschlehrerinnen, gut konnte: schreiben.

 

Ich wollte Journalistin werden.

Leider wollte das meine Lehrerin nicht und so vergab sie meinen Platz an der Erweiterten Oberschule an einen anderen Schüler.

 

Ich musste mir eine Berufsausbildung suchen. In unserem Ort sollte ein Dentallabor gebaut werden. Was lag da näher, als mich zu bewerben?

 

Alles.

 

Ich weiß bis heute nicht, was ich da geritten hatte. Vielleicht den Schimmel namens Leichtigkeit? Im Juni 1989 unterschrieb ich jedenfalls meinen Ausbildungsvertrag.

 

Statt Astronautin oder Journalistin (als Kind auch Sängerin, Privatdetektivin, Krippenerzieherin und eine Zeit lang auch Krankenschwester) sollte ich also Zahntechnikerin werden.

 

Tja, soweit der Plan – dann kam der 9. November 1989.

Und dann der Mai 1990. Ich saß mit vier anderen Beinahe-Auszubildenden in einem engen Büro vor einem Schreibtisch. Hinter uns stand je ein Erziehungsberechtigter.

 

„Es tut uns leid, aber wir können von Ihnen leider nur zwei behalten. Aber wir haben mit der Medizinischen Fachschule gesprochen. Sie können einen Beruf von dort wählen.“

 

Ich wählte Krippenerzieherin.

Am ersten Schultag im August oder September 1990, ich erinnere mich nicht mehr an das genaue Datum, saßen etwa 40 junge Mädchen in einem Vorlesungsraum. Alle in freudiger Erwartung. Nein, nein! Natürlich nicht schwanger. Eher schwanger mit Fragen im Kopf wie: Welche Bücher? Wie sieht der Stundenplan aus? Wie sind die Lehrer? Finde ich Freunde?

 

Eine Frau trat an das Pult.

„Den Beruf der Krippenerzieherin gibt es ab jetzt nicht mehr. Aber Sie können alle ein Berufsgrundbildungsjahr Gesundheit bei uns absolvieren und in dem Jahr entscheiden, welchen Beruf Sie stattdessen erlernen wollen.“

 

Also blieb ich dort ein Jahr, lernte viele tolle Menschen kennen und über die Monate auch die angebotenen Berufe.

 

Diätassistentin klang echt gut.

Menschen beraten. Kochkurse geben. Hm … das nehm´ ich.

 

Nein, jetzt kommt nicht der nächste Schlag. Ich bin tatsächlich Diätassistentin geworden. Ein toller Beruf – wenn man in der Beratung tätig ist. Allerdings arbeiten die meisten Kolleg*innen in der Krankenhausküche. Unter Zeitdruck kochen, viel Verantwortung, noch mehr Druck bei der Endkontrolle am Fließband – Stress pur.

Meine verschiedenen Praktika zeigten mir, dass das nicht das Richtige für mich war.

 

Nach meinem Abschluss suchte ich deshalb nach einer beratenden Tätigkeit. Und fand sie erst in der Selbstständigkeit.

 

Es machte so viel Spaß!

Für mehrere Krankenkassen hielt ich Kurse zu verschiedenen Themen ab, reiste durch den ganzen Landkreis von Schule zu Schule und Kita zu Kita. Es war großartig. Ich konnte selbst über die Zeit bestimmen. Aber ich musste auch allein dafür sorgen, dass ich genügend Aufträge habe. Ich wuchs an dieser Aufgabe.

 

1996 gab es dann ein neues Gesetz, das Krankenkassen verbot, Präventivmaßnahmen anzubieten und zu bezahlen. Von einem Tag auf den nächsten brach die Grundlage für meine selbstständige Tätigkeit weg.

 

Da ich 1995 und 1996 an Rundreisen durch Zypern und Kreta teilgenommen und dadurch meine alte Leidenschaft für Archäologie wiederentdeckt hatte (alte Gegenstände finden ist wie neue Planeten entdecken – na ja, zumindest im Prinzip), stand schnell fest, dass ich Abitur machen wollte, um zu studieren.

Ich ging an ein Kolleg – die drei besten Jahre meines Lebens.

Mit 22 bis 25 holte ich all die bis dahin verpassten wilden Jugendjahre nach und schaffte mit den Leistungskursen Latein und Alt-Griechisch das Abitur.

 

Blöderweise hatte ich zwischenzeitlich einen Mann kennengelernt … also blieb ich in der Heimat und studierte, was meinen Vorstellungen am nächsten kam: Germanistik und Anglistik. Und als wäre das nicht genug, hängte ich noch Gesundheitsförderung- und management dran.

 

Diesmal brachte mich ein süßer kleiner Mann zu Fall: Ein Kind, das gleich mit zwei chronischen Krankheiten auf die Welt kam, die mich abwechselnd daran hinderten, einer Arbeit außer Haus nachzugehen.

 

Meine wenige Freizeit verbrachte ich damit, zu schreiben. Romane über Liebesgeschichten ohne klassisches Happy End, dennoch mit gutem Ende. Erste Krimiversuche. Freunde brachten mir weiterhin ihre wissenschaftlichen Arbeiten, die ich korrigieren sollte. Das wurde immer mehr ...

 

... bis ich einen Beruf daraus machte.

Einen Beruf, der mir Spaß macht. Es gibt nichts Schöneres, als am Ende einer Zusammenarbeit zu hören oder zu lesen: Vielen Dank! Ich habe viel gelernt.

 

Mit 44 war ich endlich da angekommen, wo ich eigentlich immer hinwollte: selbst meine Geschichten aufschreiben und anderen Autor*innen beim Schreiben ihrer Geschichten helfen.

 

Was wurde aus der Astronautin in mir?

Um den Kreis zur Astronautin zu schließen:

Ich fliege zwar auch selbst als Astronautin (= Autorin), schreibe ab und zu auch über Raumfahrtthemen, aber die meiste Zeit sitze ich als Lektorin im Kontrollzentrum auf der Erde und helfe von hier aus meinen Astronaut*innen bzw. meinen Autor*innen.

 

Als Astronauten-Autorin schicke ich meine Geschichten in die Welt hinaus und hoffe, dass sie gelesen werden, so wie die Botschaften der Weltraumbehörden– oder manchmal eben auch Autos – ins Weltall hinausgeschickt und irgendwann mal von anderen Lebensformen im All empfangen werden.

 

Manchmal weiß man, dass ein Traum niemals wahr werden kann ...

... und träumt ihn dennoch. Ich gebe es zu, ich genieße die Sehnsucht. Und das Glück derer, die die Erde von dort oben sehen dürfen. Ja, Sehnsucht kann weh tun. Sehnsucht kann aber auch positive Gefühle auslösen.

 

Als Alexander Gerst 2014 zum ersten Mal zur ISS abhob, habe ich den Start beobachtet und seine Fotos von der Erde förmlich eingeatmet.

Seinem Start im Juni 2018 habe ich monatelang entgegen gefiebert, dann die Daumen gedrückt, die Luft angehalten, auf das Andocken gewartet, bis sich endlich die Klappe öffnete und sich sechs Menschen 400 km über der Erde in die Arme fielen.

 

Meine Augen wurden leicht feucht und das Lächeln verschwand stundenlang nicht aus meinem Gesicht. Täglich wartete ich auf seine Fotos, um dann wieder grinsend durch die Gegend zu laufen.

 

Mit meinen Kindern habe ich mir 2018 angewöhnt zu den passenden Zeiten in den Nachthimmel zu schauen, nur um die ISS als kleinen leuchtenden Punkt über uns hinweg fliegen zu sehen und hochzulächeln.

 

Selbst einmal dort oben zu sein, kann ich vergessen, auch wenn meine Kinder mir schwören, dass sie ganz viel Geld verdienen wollen und zusammenlegen, um mir einen Flug zur ISS zu schenken. Die Süßen. Sie sind noch so wunderbar naiv, glauben noch an das, was sie einmal haben wollen. So wie die kleine Dani damals.

Mein Herz füllt sich gerade mit ganz viel Liebe für die drei.

 

Was mir bleibt, sind Geschichten, die ich erfinden kann. Und die Beschäftigung mit der Theorie. Für eine Kurzgeschichte, die auf dem Mars spielen soll, habe ich zum Beispiel über geplante Marsmissionen recherchiert. Bittersüße Sehnsucht strömte währenddessen in mein Herz, mein Bauch fühlte sich ganz kribbelig an, als wuselte dort ein ganz eigenes Universum.


Wenn ich mich mit der Raumfahrt beschäftige, stoße ich immer wieder auf Menschen, die ihren Traum so sehr verfolgen, dass sie ihn bereits wahr gemacht haben oder noch wahr werden lassen wollen 
– wie Alyssa Carson und Abigail Harrison, zwei starke Persönlichkeiten, die für ihren großen Traum leben.

 

Große Träume – kleine Träume

Der Beruf ist ein großes Thema im Leben. Natürlich. Schließlich verbringen wir viel Zeit damit, zu arbeiten. Aber auch andere Träume brauchen wir. Große, aber auch kleine.

  • Kinder. Familie.
  • Reichtum. Ein schönes Haus.
  • Eine eigene Farm in Australien.
  • Eine Märchenhochzeit.
  • Einmal einen Vulkan besteigen.
  • Ballonfahrt. Parabelflug. Fallschirmsprung. Bungee-Jumping.
  • Viel Zeit am Meer.
  • Oder einfach nur mal wieder ausreichend Schnee, um eine Schneeballschlacht zu machen oder einen Schneemann zu bauen.

Viel zu reisen ist einer meiner Träume.

Wenn schon nicht ins Weltall, dann wenigstens auf der Erde. Ich liebe es, andere Kulturen kennen zu lernen, andere Landschaften zu sehen, Menschen zu erleben – ihre Lebensgeschichten zu erfahren. Und ich liebe Sprachen.

 

Wirklich weit bin ich noch nicht gekommen. Polen, Dänemark, Griechenland, Marokko, Liverpool.

Meine erste und längste Reise ging allerdings nach Zypern, denn auch wenn ich körperlich gerade hier in Deutschland an meinem Schreibtisch sitze, so ist doch ein Teil meines Herzens damals auf Zypern hängen geblieben. Darum muss auch mein Körper immer mal wieder dorthin zurück, sonst zerreißt mich die Sehnsucht.

 

Mit drei Kindern ist das Reisen nicht mehr ganz so leicht. Hinzu kommt, dass wir natürlich unseren Kindern mehr von der Welt zeigen möchten als nur einen Ort.

Meistens bleiben wir aber innerhalb Deutschlands. Ostsee, Nordsee – klar. Die großen Städte – natürlich. Wandertouren im Elbsandsteingebirge oder im Schwarzwald – liebend gern. Mehrmals jährlich Tagesausflüge in den Harz – logisch, wenn man schon in der Nähe wohnt. Ein Traum meines Mannes war übrigens Wuppertal erledigt .

 

Mein Traum im Moment?

Hm, ein Haus auf Zypern vielleicht. Meinen ersten Roman zu veröffentlichen und viele Leser*innen zu erreichen ist wohl der größte. Aber zuallererst wünsche ich mir, dass wir alle gesund bleiben.

 

Träume zu haben, ist wichtig.

Träume treiben uns voran.

 

Dennoch finde ich es auch wichtig, zu sehen, was ich habe:

  • einen liebevollen Mann, drei wundervolle Kinder.
  • einen Job, der mich glücklich macht und mir erlaubt, Familie und Beruf easy zu koordinieren.
  • eine gemütliche Wohnung.
  • wunderbare Geschwister und Schwägerinnen/Schwager und deren Familien.
  • die besten Eltern der Welt und die beste Schwiegermama der Welt.

 

Ich erinnere mich noch sehr gut an eine Unterhaltung mit einer Freundin.

 Da war ich 22 und sagte (möglicherweise leicht unter Alkoholeinfluss): „Eigentlich hätte ich gern drei Männer: einen zum Pferde stehlen, einen zum Reden und einen humorvollen zum Spaß haben.“

 

Nun ja, man sollte eben vorsichtig sein, was man sich wünscht. Jetzt habe ich drei kleine Männer. Ok, zwei überragen mich mittlerweile körperlich, was  sich bei jedem Gang draußen anfühlt, als wäre ich mit Bodyguards unterwegs.

Unter den dreien sind ein Philosoph zum Reden, ein Scherzkeks, der mit trockenen Pointen um sich schießt, und einer, der für jeden Blödsinn zu haben ist. Voilà! Da soll nochmal einer sagen, dass Träume nie wahr werden.

 

Wo ich schon beim Thema Kinder bin:

Ich wollte zwei. Einen Jungen und ein Mädchen. Aber wer kann sich das schon aussuchen? Mein Mann sollte unbedingt Fußballer sein. Und heiraten wollte ich NIE. Ist alles nicht eingetroffen. Aber was solls?!

 

Du kannst planen. Natürlich. Aber letztendlich kommt es doch anders. Wenn du das für dich akzeptierst, dann gewinnst du viele Glücksmomente, weil du alten Plänen oder Träumen nicht mehr nachjagen musst.

 

 

Die Kunst des Glücklichseins besteht nämlich darin, …

… sich zwar Träume zu schaffen, aber dennoch flexibel zu bleiben. Und darin, sich Schicksalsschläge und Planänderungen nicht zu Herzen zu nehmen. Wer weiß schon, wozu es einmal gut sein wird?

 

Wie sehr hatte ich mir zum Beispiel diese eine tolle Schule für meinen Sohn gewünscht. Es tat verdammt weh und ich habe sogar geweint, weil wir nicht unter den Auserwählten waren. Lange habe ich überlegt, woran es gelegen haben könnte. Aber warum?

 

Es wurde ja alles gut.

Wäre er an diese Schule gegangen, hätte er nicht genau diese eine beste Freundin kennen gelernt.

Wir hätten nicht am Schüleraustausch teilgenommen. Er wäre ein ganz anderer Mensch ohne das dadurch gewonnene Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen. Aber ich schweife schon wieder ab, weg von mir, hin zu meinen Kindern. Etwas, das Eltern, vor allem Mütter, zu gern tun.

 

 

Lange Rede? Ok, dann kommt jetzt der kurze Sinn:

Träume! Halte daran fest, aber nicht zu verbissen. Manchmal bringt dir das Leben eine Weggabelung, wähle und mache dann das Beste daraus. Auch wenn es mal so richtig sch… läuft und du denkst: Hätte ich mich doch für den anderen Weg entschieden. Nein, du weißt doch gar nicht, was dich da erwartet hätte. Also nimm an, was du hast. Und wenn dir etwas fehlt, dann nimm dein Leben selbst in die Hand. Niemand, wirklich NIEMAND macht das für dich!

 

Manchmal bringt dir das Leben aber auch eine scharfe Kurve und du hast gar keine andere Wahl, als die Augen zu schließen und einfach durch zu gehen. Geh den Weg und schau, wohin er dich bringt. Vielleicht wartet ja das Glück auf dich, nachdem du durch Schlamm gerobbt, über hohe Mauern geklettert oder über Hürden gesprungen bist.

 

Auch wenn es abgedroschen klingt:

 

DU bist deines Glückes Schmied.

 

Das Leben ist eine Berg-und-Tal-Bahn. Nach jedem Tal kommt ein Berg, wahrscheinlich schöner als alle davor. Manchmal meint der Scherzkeks am Schaltpult, sie rückwärts laufen lassen zu müssen. Aber hey, wenn du dich nicht gerade übergeben musst, kann das sogar Spaß machen. Lass dich ein auf das Leben.

 

Ein Mensch, der großen Anteil an dieser Erkenntnis in mir hatte, war Colin Vearncombe, vielen vielleicht bekannter als BLACK durch WONDERFUL LIFE. Mit seiner Musik half er mir vor allem durch meine Teenagerzeit. Seit 1986 begleitet mich seine poetische Musik durch alle Höhen und Tiefen meines Lebens. Darum gehört ein Link zu seiner Seite unbedingt auch in diesen Artikel.

Sein Tod im Januar 2016 stellt einen wesentlichen Wendepunkt in meinem Leben dar, denn er hat mir gezeigt, wie endlich wir alle sind und dass ich all meine Bedenken vergessen muss, um meine Texte zu veröffentlichen. Danke Colin, für deine Musik und Inspiration! 

 

 

Als Abschluss möchte ich eine Geschichte teilen, die ich ursprünglich als Prolog für einen meiner Romane geschrieben hatte. Es geht um eine junge Frau, die sich selbst nicht mag und sich deshalb all die schönen Dinge des Lebens versagt. Die Botschaft darin: Trau dich, Fehler zu machen. Sei du selbst. Du bist wunderbar.

 

Alles Liebe

Dani


Petra Tou Romiou, Zypern, Bild: Daniela Mertens
Petra Tou Romiou, Zypern, Bild: Daniela Mertens

Claras Melodie

Eine Geschichte von Daniela Mertens

 

Die Göttin stand auf einer Anhöhe hoch über dem menschenüberlaufenen Strand. Ihr weißes Gewand und ihr blondes Haar wehten im Frühlingswind. Hier hatte sie einst zum ersten Mal Land betreten.

Sie liebte diese Insel. Sie liebte die Menschen, die sich von der Liebe an diesen Ort leiten ließen. Aphrodite lächelte zufrieden und schloss ihre Augen, um den Seelenmelodien der Menschen zu lauschen.

Eine gefiel ihr besonders. Melancholisch und voller Selbstzweifel, und doch hell und klar - und hoffnungsvoll. Diese junge Seele hielt sich für nicht liebenswert und unattraktiv.

Aphrodite betrachtete sie. Clara, süße 19. Eine Busrundreise hatte sie und ihre Eltern hierher geführt. Rote Locken umspielten ihr schmales Gesicht. Strahlend grüne Augen blickten auf der Suche nach sich selbst in die weite Welt hinaus. Sie versteckte sich hinter ihrer unnahbaren Fassade und wirkte ungewollt geheimnisvoll und anziehend. Doch davon ahnte sie nichts. Ein federleichtes Kleid aus weißer Baumwolle mit unzähligen Blüten aller Regenbogenfarben darauf umschmeichelte ihre weiblichen Rundungen.

Clara streifte die silbernen Flip-Flops ab, erspürte die warmen Steine des Strandes mit ihren Fußsohlen. Sie blieb hinter der Wellenlinie zurück, als habe sie Angst vor der Berührung des Wassers - als habe sie Angst vor dem Leben.

Aphrodites Herz füllte sich mit Liebe für diese einsame Seele. Sie lächelte und ließ die Wellen durch die Kraft ihrer Gedanken einen Meter weiter über die bunten Kiesel gleiten. Weißer Schaum umspülte Claras Füße. Sie sprang erschrocken zurück.

Die Göttin schwebte unsichtbar wie der Wind von ihrem Hügel herab und stellte sich neben die junge Frau. Ihr Flüstern klang für Clara wie der warme Frühlingswind. Doch ihr Unterbewusstsein nahm die Botschaft darin wahr. »Hab keine Angst vor dem Leben, keine Angst vor der Liebe. Sei mutig. Sei du selbst. Du bist wunderschön und wundervoll. Vergiss das nie.«

Ein zarter Windhauch streichelte Claras Wange wie eine mütterliche Hand. Mutig setzte sie ihre Füße einen Schritt nach vorn. Eine sanfte Welle begrüßte sie. Ihre Zehen gruben sich in den grobkörnigen Sand. Das Wasser gab ihre Füße frei und ein herzförmiger Stein glitzerte im Sonnenlicht zwischen ihren großen Zehen. Sie hob ihn auf und schloss die Augen. Wärme durchströmte ihren Körper. Aus ihr erwuchs ein Gedanke. Eine Erkenntnis. Ja, sie war etwas Besonderes. Und sie war kein kleines Mädchen mehr, sondern eine Frau mit Gefühlen und Bedürfnissen. Liebenswert. Begehrenswert. Sie drehte sich um zu dem jungen Mann, nicht viel älter als sie, mit den blonden Wuschelhaaren und der nerdigen Brille. Er suchte seit drei Tagen ihre Nähe. Zum ersten Mal schaute sie in seine blauen Augen und schenkte ihm ein Lächeln. Er lächelte zurück und Clara spürte etwas, das sie bisher noch nicht gekannt hatte. Vielleicht war er der Eine. Vielleicht war er nur eine Station auf ihrem Weg zur großen Liebe. Wie sollte sie das jemals erfahren, wenn sie sich nicht einfach in die Wellen des Lebens stürzte?

     Aphrodite folgte dem Blick der jungen Frau. »Gut so, Clara«, hauchte sie und schwebte über das Meer davon.